September 4

by admin

Vorbehalte gegen Elektroautos

Der Elektroauto-Absatz in Deutschland bricht ein – was sind die Gründe?

Im ersten Halbjahr 2024 sind die Zulassungen von Elektrofahrzeugen um -16,4 % gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen. Ein Absatzeinbruch gegen den Trend, denn insgesamt stiegen die Pkw-Zulassungen um 5,4 %. Als Erklärung hierfür wird häufig das abrupte Ende der E-Auto-Förderung genannt: Das ist nicht falsch, doch die Ursachen sind vielschichtiger.


Die fünf größten Vorbehalte gegen Elektroautos im Faktencheck

Das Allensbach-Institut und die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften haben in einer repräsentativen Umfrage die wichtigsten Nichtkaufgründe von Elektroautos erhoben. Halten die Antworten einem Faktencheck stand, oder handelt es sich dabei um Mythen und Vorurteile?


Nr. 1: Zu hohe Anschaffungskosten (77 %)

Ein zu hoher Anschaffungspreis ist mit 77 % aller Nennungen das wichtigste Argument gegen Elektroautos. Somit scheint der Wegfall der preismindernden Umweltförderung tatsächlich der entscheidende Auslöser für die sinkenden Zulassungen zu sein.

Zieht man die Listenpreise der Hersteller heran, dann findet man in Deutschland nur eine Handvoll Elektroautos mit einem Kaufpreis unter 30.000 Euro. Die vergleichbaren Verbrenner-Varianten dieser Fahrzeuge (bspw. Renault Twingo, Fiat 500 oder Opel Corsa) sind satte 10 – 13 Tsd. Euro günstiger. Ähnliche Preisdifferenzen gibt es in allen Fahrzeugsegmenten, in der Ober- und Luxusklasse fallen sie durch den hohen Gesamtpreis aber weniger ins Gewicht. Im Klein- und Kompaktwagensegment kann ein Elektroauto jedoch durchaus das Doppelte eines Verbrenners kosten. 

Fazit: Das Argument ist valide.


Nr. 2: Zu geringe Reichweite (60 %)

Laut ADAC Ecotest steigt die durchschnittliche Reichweite von Elektroautos seit Jahren kontinuierlich an: 2023 lag sie bei knapp 400 Kilometern. Das ist allerdings immer noch weniger als die Reichweite der schlechtesten Verbrenner in einem Test von Auto-Motor-Sport. Die erreichten immerhin 450 Kilometer, das Gros erzielte zwischen 600 und 800 Kilometer.

Bei Elektroautos sinkt zudem die Reichweite bei kalten Temperaturen erheblich. Je nach Fahrzeugtyp verbraucht die Batterie bei Minusgraden mindestens 40 % mehr Energie, bei einzelnen Modellen sogar über 100 %! 

Fazit: Das Argument ist valide, obwohl Elektroautos in den vergangenen Jahren erheblich aufgeholt und den Reichweitennachteil zum Verbrenner verkleinert haben. Vor allem die reale Reichweite bei kaltem Akku ist problematisch. 


Nr. 3: Zweifel an Umweltfreundlichkeit (59 %)

Klar ist, dass Elektrofahrzeuge durch fehlende Schadstoffemissionen im Betrieb deutlich umweltfreundlicher als Verbrenner sind. Gleichzeitig besteht Konsens darüber, dass Produktion und Entsorgung von Elektroautos vergleichsweise umweltbelastend sind. Für die gesamte Ökobilanz ist demnach entscheidend, wie beide Faktoren bewertet und gewichtet werden: Hierzu kommen verschiedene Studien zu unterschiedlichen Resultaten.

Laut Bundesregierung sind Elektroautos über ihren gesamten Lebenszyklus eindeutig umweltfreundlicher als Verbrenner. Dabei kalkuliert das Umweltministerium allerdings durchgängig mit dem deutschen Strommix, der einen relativ hohen Ökostromanteil enthält. Bei dieser Rechnung liegen Elektrofahrzeuge bereits ab 20.000 Kilometer Laufleistung in der Umweltbilanz vor Verbrennern. 

Die überwiegend chinesische Batterieproduktion basiert aber zu mindestens zwei Dritteln auf Kohlestrom. Das berücksichtigt eine differenzierte Analyse des VDI, wonach dann erst ab 90.000 Kilometern die Ökobilanz eines Elektrofahrzeugs vorteilhaft wäre. 

Fazit: Die Zweifel sind aufgrund der Studienlage nachvollziehbar und berechtigt. Letztlich gibt es zu dieser Frage keine allgemeingültige Antwort: Entscheidend sind der jeweilige Produktionsstandort eines Modells und die individuell gefahrenen Kilometer.


Nr. 4: Zu wenig Ladestationen (57 %)

Der Ausbau der Ladeinfrastruktur in Deutschland ist in den letzten beiden Jahren erheblich vorangekommen. Die Anzahl der öffentlichen Ladepunkte ist jährlich um jeweils 40 % auf inzwischen fast 125.000 gestiegen. Damit dürfte es – bei rund 14.000 Tankstellen hierzulande - inzwischen ähnlich viele Ladestationen wie Zapfsäulen geben. Hier ist jedoch zu beachten: Die Zapfsäulen dienen der Versorgung eines Fahrzeugbestands von 48 Millionen Verbrennern. Dem stehen lediglich 1,4 Millionen Elektrofahrzeuge gegenüber.

Fazit: Das Argument ist sachlich eindeutig falsch.


Nr. 5: Strom deutlich teurer geworden (53 %)

Der Strompreis für Haushalte ist in den beiden letzten Jahren um 18 – 20 % jährlich gestiegen. Die Preise für Diesel und Benzin haben sich allerdings mit einem Jahr Vorlauf (2020 – 2022) noch drastischer erhöht. Der Literpreis für Diesel stieg um etwa 75 %: Von 1,11 Euro in 2020 auf 1,94 Euro in 2022. Aktuell liegen alle Energieträger wieder circa 10 % unter den jeweiligen Höchstwerten.

Fazit: Das Argument greift nur bedingt, denn der Preisanstieg beim Strom war im aktuellen Jahrzehnt niedriger als bei den fossilen Kraftstoffen.


Der entscheidende Hebel ist nicht der Preis, sondern die Ökobilanz

Es ist wenig überraschend, dass Kaufpreis und Reichweite als gewichtige Nachteile von Elektroautos gesehen werden. Erstaunlich aber, wie stark die Zweifel an deren Umweltfreundlichkeit sind. Obwohl die Ökobilanz „nur“ auf Rang 3 der Vorbehalte liegt, ist sie der eigentliche Schlüssel für die Zukunft der Elektromobilität.

Warum? Die Preise werden weiter sinken und die Reichweiten weiter steigen: Die junge Technologie hat in beiden Punkten noch Entwicklungspotenzial. Aber: Preis- und Reichweitennachteile werden zwar geringer werden, auf absehbare Zeit jedoch nicht verschwinden. Kunden brauchen daher ein anderes starkes Kaufmotiv, um diese Nachteile gegenüber Verbrennern zu kompensieren. Und da kommen primär ökologische Gründe in Betracht. Werden diese ernsthaft in Zweifel gezogen, steht die Akzeptanz der gesamten Elektromobilität zur Disposition. 

Die gute Nachricht: Es fehlt nicht an Lösungsansätzen – von neuen Batterietechnologien über Batterierecycling bis hin zu umweltschonender Akkuproduktion in Europa. Das Dilemma dabei: Bei rückläufigem Absatz rechnen sich die Investitionen nicht, doch ohne Investitionen bleibt der Absatz rückläufig – ein potenzieller Teufelskreis.





Quellenangaben:
  • https://www.kba.de/SharedDocs/Downloads/DE/Pressemitteilungen/DE/2024/pm_22_2024_fahrzeugzulassungen_06_2024.pdf?__blob=publicationFile&v=5
  • https://www.zdf.de/nachrichten/wirtschaft/elektroauto-deutschland-verkehrswende-mobilitaet-probleme-100.html
  • https://presse.adac.de/meldungen/adac-ev/technik/reichweite-von-elektroautos-steigt-weiter.html
  • https://www.auto-motor-und-sport.de/reise/tops-flops-bei-der-reichweite-so-weit-reicht-eine-tankfuellung/
  • https://www.adac.de/rund-ums-fahrzeug/elektromobilitaet/laden/elektroauto-reichweite-winter/
  • https://www.bmuv.de/themen/verkehr/elektromobilitaet/klima-und-energie
  • https://www.br.de/nachrichten/wissen/studie-e-autos-klimafreundlich-erst-mit-einer-gruenen-batterie,Ty7YqCL
  • https://www.electrive.net/2024/06/11/bnetza-oeffentliche-ladeinfrastruktur-in-2024-um-40-prozent-gewachsen/
  • https://www.bdew.de/service/daten-und-grafiken/bdew-strompreisanalyse/
  • https://www.adac.de/verkehr/tanken-kraftstoff-antrieb/deutschland/kraftstoffpreisentwicklung/
















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