Von der Nischenbranche zur Kernindustrie der Elektromobilität: Batterie-Recycling
Batterie-Recycling ist heute in Europa ein Nischengeschäft vorwiegend kleinerer, spezialisierter Unternehmen. Das wird sich in den kommenden Jahren grundlegend ändern. Beispiel Deutschland: Mercedes-Benz hat vor wenigen Wochen mit dem Bau einer Batterieaufbereitung in Kuppenheim begonnen. Die Stuttgarter sind damit nach Volkswagen der zweite deutsche Automobilhersteller, der eigene Recycling-Kapazitäten aufbaut. Auch die chemische Industrie hat das Geschäftsmodell entdeckt: Die BASF plant für 2024 die Inbetriebnahme einer Anlage in Schwarzheide. Weitere Unternehmen werden folgen, denn das Wachstum hat gerade erst begonnen.
Batterie-Recycling gewinnt in Europa zunehmend an Bedeutung
Dass das Recycling von Elektroauto-Batterien bislang in Europa keine große Relevanz hatte, liegt vor allem an der noch geringen Menge ausrangierter Batterien. Ein Lithium-Ionen-Akku hat in einem Elektroauto eine durchschnittliche Lebensdauer von 8-10 Jahren, und selbst dann beträgt seine Kapazität oft noch 70-80 %. Solche Batterien können für weitere 10-12 Jahre in zweiter Verwendung („second life“) als stationäre Stromspeicher genutzt werden.
Eine Batterie kann also im Idealfall über 20 Jahre in Betrieb sein, bevor sie endgültig entsorgt oder wiederverwertet werden muss. Der Fahrzeug-Absatz in Europa hat jedoch erst Ende des letzten Jahrzehnts Fahrt aufgenommen. Bis 2017 wurden jährlich noch weniger als 100.000 Elektroautos verkauft, seither beschleunigt sich das Wachstum. Im letzten Jahr waren es bereits mehr als 1,5 Millionen Einheiten, für 2030 liegen selbst moderate Prognosen bei Stückzahlen von weit über 10 Millionen.
Dieser Hochlauf zeigt sich dann im kommenden Jahrzehnt auch bei den Altbatterien. Eine Analyse des Fraunhofer-Institutes erwartet im Jahr 2030 ein Volumen von 420 Tsd. Tonnen recycelbarer Elektroauto-Batterien. Bis 2040 geht die Untersuchung von einer Steigerung auf 2,1 Mio. Tonnen aus.
Ökologische, ökonomische und rechtliche Argumente für Batterie-Recycling
Für solche Dimensionen wird dann effektives Recycling im industriellen Maßstab benötigt. Alles andere als eine umfassende Wiederaufbereitung wäre sowohl ökologisch als auch ökonomisch unhaltbar. Denn eine einzige Lithium-Ionen-Batterie mittlerer Kapazität enthält durchschnittlich über 5 kg Lithium, jeweils über 10 kg Kobalt, Nickel und Mangan und 35-70 kg Graphit. Allein deren Materialwert liegt an einer Metallbörse im vierstelligen Eurobereich.
Zudem verringert Recycling den Bedarf an primärer Produktion (Förderung und Raffination) dieser Stoffe. Das hat wiederum mehrere Vorteile: Erstens wird deren Abbau teilweise durch Kinderarbeit erbracht und verursacht gravierende Umweltschäden. Zweitens reichen die vorhandenen Ressourcen in einigen Jahren voraussichtlich nicht mehr aus, um den erwarteten Bedarf der Batterieproduktion zu decken. Im vergangenen Jahr wurden bereits 43 % der weltweiten Lithium-Förderung und 38 % der Kobalt-Förderung allein für die Herstellung von Lithium-Ionen-Akkus verwendet. Und drittens: Die Unabhängigkeit von politischen Einflüssen und Lieferketten steigt enorm, denn benötigte Rohstoffe befinden sich dann schon im europäischen Markt. Das ist insbesondere bei Kobalt und Graphit bedeutsam, deren weltweite Produktion zu zwei Dritteln von China kontrolliert wird.
Ein weiteres Argument sind die rechtlichen Rahmenbedingungen, denn die Europäische Union wird demnächst eine reformierte Batterieverordnung verabschieden. Der Entwurf sieht für Elektroauto-Batterien einen Mindestanteil wiederverwendeter Metalle sowie eine Rücknahmepflicht des Herstellers vor. Die vorgeschriebene Recyclingquote von aktuell 50 % wird voraussichtlich deutlich angehoben.
Ausreichend Gründe also für Hersteller von Elektroautos oder Batterien, aber auch für spezialisierte Aufbereiter, in den Sektor des Batterie-Recycling s zu investieren. Dass die Investitionen tatsächlich kommen, gilt als sicher, denn zahlreiche Werke und Anlagen befinden sich bereits im Bau oder zumindest in der Planungsphase. Allein mit diesen heute schon bekannten Projekten wird die Recycling-Kapazität in Europa auf fast 400 Tsd. Tonnen im Jahr 2030 ansteigen.
Technische Herausforderungen sind noch nicht gelöst
Doch für ein automatisiertes Recycling im großen Stil gibt es noch technische Hürden. Das beginnt schon beim ersten Arbeitsschritt, der Demontage der Batterien. Batteriearchitektur und -design unterscheiden sich von Hersteller zu Hersteller, was die Zerlegung arbeits- und kostenintensiv gestaltet. Auch Bauweisen wie fest verschweißte Zellverbindungen machen Probleme. Hier wird es in den nächsten Jahren darum gehen, effiziente und serientaugliche Arbeitsprozesse zu etablieren.
Für die eigentliche Rückgewinnung der Rohstoffe gibt es verschiedene Methoden, die alle ihre spezifischen Vor- und Nachteile haben. Sie lassen sich grob in zwei Klassen einteilen: Sogenannte pyrometallurgische Prozesse arbeiten mit großer Hitze, hydrometallurgische Verfahren setzen Chemikalien ein. Die meisten Aufbereiter bevorzugen chemische Prozesse, da mit ihnen alle verbauten Rohstoffe wiederverwertet werden können. Beim Einschmelzen hingegen gehen beispielsweise Aluminium und Graphit verloren. Mit chemischen Verfahren lassen sich deshalb höhere Recycling-Quoten erzielen. Über 95 % wurden bereits erreicht, allerdings bisher nur im Labor. Physiker schätzen die mögliche Ausbeute unter industriellen Bedingungen deutlich geringer ein. Hier ist einige Entwicklungsarbeit nötig, denn eine hohe Quote ist die Voraussetzung für eine kostendeckende oder profitable Aufbereitung.
Für solche Problemlösungen und Prozessoptimierungen haben die europäischen Unternehmen aber noch ausreichend Zeit. Einige können dabei zudem von ihrer Zusammenarbeit mit chinesischen Partnern profitieren (z. B. BMW und Volkswagen), die im Batterie-Recycling bereits weiter sind. Die Voraussetzungen dafür, dass die Industrie die technischen Schwierigkeiten in den Griff bekommt, sind deshalb positiv.
Fazit
Schon in wenigen Jahren wird Batterie-Recycling in Europa eine tragende Säule der Elektrofahrzeug-Produktion sein. Batterie- und Fahrzeughersteller werden durch Recycling unabhängiger von internationalen Lieferketten und Rohstoffmärkten. Wenn es ihnen zudem gelingt, kosteneffiziente Abläufe zu entwickeln, sollte das auch zu Preisvorteilen bei den Endkunden führen. Deutlich verbessern durch das Batterie-Recycling wird sich in jedem Fall die Ökobilanz von Elektrofahrzeugen.
Quellenangaben: