Mai 21

by admin

So stellen sich Chinas Autobauer jetzt im deutschen Markt auf

Lange war der deutsche PKW-Markt für chinesische Automobilhersteller unattraktiv. Im Home Market von Volkswagen, Audi, Mercedes und BMW mit Fahrzeugen anzutreten, die technisch als nicht wettbewerbsfähig angesehen wurden, erschien wenig erfolgversprechend. Doch das Elektroauto hat alles verändert: Auf diesem Gebiet gilt China mindestens als ebenbürtig, bei vielen Branchenexperten sogar als Technologieführer. Zwar sind chinesische Elektrofahrzeuge in Deutschland heute noch Nischenprodukte, aber diverse Hersteller sind aktuell höchst aktiv beim Auf- oder Ausbau ihrer Aktivitäten.

BYD will mit starken Partnern schnell wachsen

Der weltweit zweitgrößte Elektroauto-Produzent und Marktführer in China ist im Herbst 2022 in den deutschen Markt eingetreten. Hier baut das Unternehmen auf bestehende Strukturen und das klassische Autohaus-Konzept: Verkauf und Service am gleichen Standort durch spezialisierte Vertragshändler. Vor allem aber auf erfahrene Partner.

Das Europa-Geschäft von BYD wird von der schwedischen Hedin Group betrieben, einer der führenden Unternehmensgruppen im automobilen Groß- und Einzelhandel. Dass die deutsche Tochtergesellschaft ihren Sitz in Stuttgart hat, ist kein Zufall, denn Geschäftsleitung und Beraterstab bestehen zum Großteil aus ehemaligen Mercedes-Managern. Und auch die acht Händlergruppen, mit denen das Vertriebsnetz gestartet ist, sind ausnahmslos gleichzeitig Mercedes-Vertragspartner. 

Im Großkundengeschäft ist BYD ebenfalls aktiv und hat bereits eine langfristige Kooperation mit dem Autovermieter Sixt vereinbart: Der will bis 2028 insgesamt 100.000 BYD-Fahrzeuge abnehmen. Entsprechend ambitioniert sind die Absatzziele der Chinesen: Bereits in drei Jahren wollen sie in Deutschland sechsstellige Verkaufszahlen und einen Elektro-Marktanteil von 10 % erreichen.

Nio setzt auf Onlinevertrieb und bringt die wechselbare Batterie nach Deutschland

Fast zeitgleich mit BYD startete Nio im deutschen Markt. Damit enden aber schon die Gemeinsamkeiten. Der Hersteller von Elektrofahrzeugen der Mittel- und Oberklasse verzichtet fast vollständig auf stationären Verkauf und Service. Kaufen und Werkstatttermine buchen kann man online. Nio liefert die Fahrzeuge beim Kunden aus und holt sie zum Service auch dort ab. Der Dienstleister G.A.S. erledigt dann ohne direkten Kundenkontakt die Wartungs- und Reparaturarbeiten.

Darüber hinaus führt Nio sein in China bewährtes Tauschkonzept für Batterien auch in Deutschland ein. In sogenannten „Power Swapping Stations“ können Kunden in wenigen Minuten einen leeren Akku gegen einen vollen auswechseln lassen. Zum Markteintritt startete Nio mit drei Tauschstationen, bis Ende 2023 sollen es insgesamt 40 werden. 

Für das Unternehmen ist die Wechselbatterie einerseits ein echtes Alleinstellungsmerkmal, andererseits ein erheblicher Kostenfaktor. Nur bei einem ausreichend großen Fahrzeugbestand lohnt sich das Modell, und das erhöht den Druck, beim Absatz rasch zu wachsen. Wohl auch deshalb hat Nio kürzlich einen eigens für Europa entwickelten Kompaktwagen im unteren Preissegment angekündigt. Unabhängig davon plant das Unternehmen aber generell langfristig. Es könne ein Jahrzehnt dauern, bis sich Nio in Europa etabliert habe, sagt Gründer und CEO William Li. Verluste in den Anlaufjahren nehme man dabei bewusst in Kauf.

Great Wall Motors kooperiert in Deutschland mit Emil Frey

Zum Jahresbeginn 2023 nahm auch Great Wall Motors, ebenfalls einer der größeren Hersteller von Elektroautos in China, seine Aktivitäten in Deutschland auf. Generalimporteur für deren Marken Ora und Wey ist die Emil Frey Gruppe, die in Deutschland zu den größten Mehrmarken-Händlergruppen zählt. Ähnlich wie BYD hat sich GWM somit die Kooperation mit einem leistungsfähigen Partner gesichert und sich für ein klassisches Vertragshändler-Modell entschieden. Das Netz befindet sich derzeit im Aufbau, 200 Standorte sind geplant. 

Und es gibt eine weitere Ähnlichkeit zu BYD: Während dort die Verbindung zu Mercedes unübersehbar ist, ist es bei GWM die Nähe zu Mitsubishi. CEO der deutschen Ora-Landesgesellschaft ist der ehemalige Mitsubishi-Vertriebschef, und die Ora-Händler sind überwiegend gleichzeitig für Mitsubishi tätig. Auch die Frey-Gruppe hat beide Marken im Portfolio.

Als kurzfristiges Absatzziel im ersten Jahr peilt Ora mindestens 6.000 Fahrzeuge an. Das Potenzial der Marke Wey wird niedriger eingeschätzt, konkrete Zahlen gibt es dazu nicht.

Die Alternativstrategie von Geely und SAIC: bestehende Marken übernehmen und transformieren

Ein ganz anderes Geschäftsmodell betreiben schon seit Jahren die großen Mehrmarken-Konzerne Geely und SAIC. Sie erwerben die Mehrheit an europäischen Unternehmen und erhalten so Zugriff auf etablierte Marken, Firmenstrukturen und Vertriebswege. Die Produktpalette wird dann überwiegend oder vollständig elektrifiziert und die Produktion meist nach China verlagert. Beispiele sind die Übernahme der britischen Traditionsmarke MG durch die SAIC-Gruppe oder die 50 %-Beteiligung von Geely an smart. Auch Volvo und deren Elektromarke Polestar sind Teil des Geely-Konzerns. Ob man diese Beispiele der chinesischen Autoindustrie zurechnet, liegt letztlich im Auge des Betrachters: Originär chinesisch sind sie jedenfalls nicht.

Fazit

In erster Linie werden die Produkte über den Erfolg der Unternehmen entscheiden. Vertrieb, Service und Organisation sind unterstützende Komponenten, die aber nicht unterschätzt werden dürfen. „Viele chinesische Hersteller denken, sie könnten allein mit digitalen Strukturen den Vertrieb in Deutschland gestalten“, sagt dazu Stefan Reindl, Leiter des Geislinger Instituts für Automobilwirtschaft. „Aber hierzulande ist die Kundenakzeptanz für solche Vertriebskonzepte noch gering ausgeprägt.“

Insofern haben BYD und GWM theoretisch alles richtig gemacht. Wie sie sich tatsächlich im deutschen Markt entwickeln, werden die kommenden Monate zeigen. Spannend wird zudem sein, ob die innovativen Konzepte von Nio funktionieren und von den Kunden angenommen werden.








Quellenangaben:

  • https://www.springerprofessional.de/elektromobilitaet/unternehmen---institutionen/das-planen-chinesische-e-auto-hersteller-in-europa/23983186
  • https://www.watson.ch/digital/elektroauto/194539960-darum-werden-e-autos-made-in-china-zum-exportschlager
  • https://www.24auto.de/news/auto-china-elektro-adac-byd-nio-geely-great-wall-ora-mg-roewe-lynk-wey-91741022.html
  • https://www.dw.com/de/china-will-mit-elektroautos-europa-erobern/a-63440017
  • https://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/chinesischer-autohersteller-nio-will-verkauf-von-elektroautos-in-europa-ankurbeln/29071480.html
  • https://www.automobil-industrie.vogel.de/nio-will-mit-autos-unter-30000-euro-vw-angreifen-a-5ecb98c6eac01d4365bfc05b62de3453/
  • https://www.autohaus.de/nachrichten/autohandel/vertriebsnetz-mit-diesen-haendlern-startet-byd-in-deutschland-3268083
  • https://www.autohaus.de/nachrichten/autohersteller/ora-kommt-im-januar-nach-deutschland-200-haendlerstandorte-geplant-3266305
  • https://www.kfz-betrieb.vogel.de/great-wall-haendlerverband-gegruendet-a-57424237385ed5348b8042f3cbcc8228/
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